I’m taking the chance to post an interview about Tilmann Waldthaler. He’s my biggest inspiration beside Claude Marthaler. I don’t want to compare myself with him or what he’s living – it’s just amazing and I’m looking up to him. Just read it and get inspired too, to realise your own travels in the way you’re comfortable!
Sorry, it’s in German! 🙂
The source is: ‚Fahrrad Weltfuehrer von Thomas Schroeder und Helmut Hermann, erschienen im Reise Know-How Verlag, 3. Auflage 2010.
Weltradler Tilmann Waldthaler
Welche Route waehlen? Wie in die Gaenge kommen? Kaum einer weiss dazu wohl mehr zu berichten als Lebenszeit-Reiseradler Tilmann Waldthaler – hier im Interview für den Fahrrad-Weltführer (Fragen: Thomas Schroeder).
Kaum jemand hat wohl seine Reisetraeume so konsequent umgesetzt wie du, obwohl eigentlich viele davon traeumen. Wie bist du zum Weltenradler geworden, war dir das in die Wiege gelegt?
Nein, eigentlich kam es ganz anders. Mir wurde der Zweite Weltkrieg und die Armut sowie der fruehe Tod meiner Eltern in die Wiege gelegt. Dies hat mir, so brutal es klingt, viele Freiheiten geschenkt. Die Verpflichtungen, die man als Kind den Eltern gegenüber traegt, waren ja somit nicht vorhanden. Ich fuehlte mich also vogelfrei und habe nach meiner Lehre als Konditor begonnen, mit Rezeptbuch und viel Mut im Rucksack zu reisen, bis ich in Australien einen Radfahrer auf Welttour getroffen hatte. Dieses Treffen veraenderte mein Leben.
Wie war die Route deiner ersten Weltreise mit dem Fahrrad, durch welche Laender führte sie und wie lange dauerte sie?
Antarktis, Neuseeland, Australien, Indonesien, Singapore, Malaysien, Thailand, Indien, Pakistan, Iran, Tuerkei, Griechenland, Italien, und anschliessend durch Mitteleuropa bis nach Spitzbergen. Ich sehe diese Zeit als meine Lehrzeit auf dem Rad. 55’000 Kilometer und vier Jahre unterwegs. In diesem Zeitraum wurde ein Hebel in meinem Kopf umgelegt.
Hattest du deine Reiseroute vorher genau geplant?
Nein, ueberhaupt nicht. Ich war und bin immer noch ein sehr spontaner Mensch.
Was hattest du von dieser Reise erwartet?
Abenteuer und vielleicht eine Art der persoenlichen Neuentdeckung/Entwicklung, weil ich mit mir und meiner Arbeit nicht zufrieden war. Ich habe mich waehrend der Reise selbst kennengelernt. Ich wollte meine Aengste abbauen und meine Traeume realisieren.
Welche Eindrücke und Schluesselerlebnisse deiner ersten Reise sind dir bis heute noch in besonderer Erinnerung?
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Die Moeglichkeit erkannt zu haben, mich einfach aufs Rad zu schwingen und loszufahren.
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Die Moeglichkeit am Schopf zu packen und alles hinter mir zu lassen und einen Neuanfang zu starten.
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Cyclone Tracy in Darwin 1974 hat mir noch einen Extraschub gegeben. Ich hatte alles im Wirbelsturm verloren.
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Die Antarktis, Treffen mit Bob Marley, Indira Gandhi, Max von Sydow, Revolutionary Guards im Iran, Krieg zwischen Iran und Irak. Erdbeben und Vulkanausbruch in Indonesien, Bombenanschlag der Roten Brigaden in Bologna, Italien.
Viele Reisen sind seither gefolgt. Wie wurde dir klar, dass ein Leben ‚on the road‘ das Richtige fuer dich ist?
Abenteurer sind Sucher, bis sie das Richtige in ihrem Leben gefunden haben. Mein Beruf, meine Sprachkenntnisse, mein Interesse an allem Neuen und die Moeglichkeit, mich und die Welt mit dem Fahrrad zu erkunden, war für mich eine Situation, die ich kaum ablehnen konnte.
Heute arbeitest du ja mit etlichen Ausruesterfirmen zusammen und kannst von deinen Reisen leben. Was hast du potentiellen Sponsoren erzaehlt, damit sie dich unterstuetzen?
Als Konditor zu arbeiten wurde langweilig und war für Sponsoren uninteressant. Also habe ich mich als Publizist bei einer Tageszeitung als freier Mitarbeiter beworben. Ich habe dann das Fotografieren und Schreiben gelernt. Die Kombination Fahrrad, Schreiben und Fotografieren hat mir bei der Sponsorensuche sehr geholfen. Vielleicht hat mir auch meine Offenheit geholfen.
Was empfiehlst du als ideales Rad für eine Weltreise?
Ein 26 Zoll Reiserad mit einer Rohloffnabe. Natuerlich soll es ein Koga sein. Dies ist wohl selbstverstaendlich, oder?
Hattest du immer sehr viele Ersatzteile für das Rad dabei, was ging oefter kaputt?
Ich habe immer auf Qualitaet gesetzt. Wenn man einen Mercedes faehrt, braucht man ja auch keinen Ersatzmotor im Kofferraum. Ich habe 1977 für mein erstes Reiserad DM 3200 bezahlt. Dies war sehr viel Geld, doch hat es sich gelohnt. Das Fahrrad faehrt heute noch.
Qualitaet, sicher, das ist das A und O. Aber das Rad auf deiner ersten Tour, ein handgefertigter 28er Randonneur aus Reynolds-Rohren, wenn ich mich recht erinnere, ist doch sehr verschieden von dem Rad, das du heute faehrst. Deine Ansicht über die Hardware hat sich also mit den Jahren veraendert?
Waehrend meiner ersten Reise Antarktis-Arktis 1977 habe ich oft von einem 3fach-Kettenblatt und einem 10er Ritzel getraeumt! Die Berge und Paesse im Himalaja haben mir gezeigt, dass ich beim Anstieg bis auf 5200m mit einem 2fach-Kettenblatt (52/42) und einem 6er-Ritzelpaket (grösstes Ritzel 30 Zaehne) und dem Gepaeck bald an meine Grenzen gestossen bin. Um die hohen Paesse zu bewaeltigen habe ich mir ein Maultier gekauft und bin mit einer Gruppe Tibeter über Schneebrücken und durch eiskalte Baeche bis nach Spadum vorgedrungen. Von dort bin ich mit dem Fahrrad weiter nach Kargil und Leh. Von Leh bin ich mit dem Fahrrad wieder zurück nach Srinagar gefahren. Abenteuer pur! Als ich 1986 von meiner Afrikatour zurück nach Europa kam und das erste MTB gesehen habe, wusste ich, dass dies mein Geraet für kuenftige Touren sein wird. Von meinem ersten Gehalt als Konditor habe ich mir ein MTB gekauft und habe die naechsten sechs Monate in den Alpen verbracht, um das MTB zu testen. Ich war total begeistert von den Moeglichkeiten, welche mir mit diesem Rad zu Verfuegung standen. Waehrend der IFMA 1988 sah ich dann zum ersten Mal ein Koga-Miyata-Fahrrad. Fasziniert stand ich mit meiner heutigen Frau Renate auf dem Koga-Stand. ‚Solche Raeder werden wir uns nie leisten können‘, war das nüchterne Zitat meiner Frau. 1996 wurde ich von Koga Miyata als Testfahrer engagiert. Seit 2009 bin ich Koga Signature Ambassador. Die Technik ist mittlerweile sehr ausgereift und ich glaube, dies bringt auch mehr Freude am Reisen mit dem Fahrrad mit sich.
Was wog deine Ausrüstung immer so etwa, beim Start und unterwegs?
Irgendwo zwischen 100 und 130 Kilo, Rad und Ausruestung, mit mir oben drauf.
Welche Laender sind deine Radfahr-Lieblingslaender geworden?
Meine Lieblingslaender sind Australien und Indien. Vielleicht wegen der unglaublichen Kontraste. Die Ruhe, Stille, Weiten und die Herausforderungen in Australien – das organisierte Chaos, das Gewimmel, die Gastfreundschaft in Indien. Es ist eine unblaubliche Herausforderung, zwischen einem Milliardenvolk zu radeln, leben, erleben, und zu überleben. Nichts für schwache Nerven und nichts für Menschen, die den Hautkontakt scheuen.
Welche eher weniger?
Iran, Irak, Zentralafrikanische Republik und Nigerien muss ich nicht wieder haben. Korruption, Banditen und jede Menge schlechte Erfahrungen mit Revolutionary Guards, Polizisten und Zollbeamten.
Bist du konsequent alle Strecken per Rad gefahren oder hast du auch auf oeffentliche Verkehrsmittel, Lkw, Autos verladen, wenn es galt, schwierige Teile zu ueberbrücken?
Ich habe sehr konsequent wenn immer moeglich das Fahrrad benuetzt. Natuerlich hat es die Situation gegeben, Buergerkrieg, Krankheiten und schwierige Passagen durch die Wuestengebiete, bei welchen ich ab und zu aufgeladen habe.
Wie sind deine Erfahrungen bei der Rad-Mitnahme in Flugzeugen?
Eigentlich nur positiv. Einmal wurde ich richtig über den Tisch gezogen… von Aeroflot in Bujumbura/Burundi. Mit KLM wurde das Fahrrad einmal beschaedifgt, der Schaden aber problemlos gut gemacht.
Wie reagiert die Bevoelkerung in sogenannten Globetrotter-Laendern wie z.B. Indonesien mittlerweile auf europaeische Radfahrer? Verhalten sich die Leute anders als gegenüber Rucksack-Travellern?
Generell hat man in den meisten Laendern für europaeische Radfahrer wenig Verstaendnis. Warum auch??? Man hat doch durch die Autoindustrie andere Beduerfnisse für den Transport von Guetern geschaffen. Das Fahrrad gilt als Lastenschlepper und Billgtransporter für arme Leute, es will jedoch niemand auf der Welt arm sein. Also hat das Fahrrad einen komplett anderen Stellenwert. Das Fahrrad ist ein Transportgeraet, jedoch kein Sportgeraet. Wenn ein Afrikaner mit einem Elefant durch Stuttgart laeuft staunen die Menschen und fragen sich wieso, warum, wo kommt der her und wo geht der hin? Wenn die Leute in der Hauptstadt von Burkina Faso, Ouagadougou, einen Europaeer mit einem vollbepackten Fahrrad sehen, stellen sie sich die gleichen Fragen. Man ist ein Exot.
Hast du unterwegs immer viele europaeische bzw. Amerikanische Radfahrer getroffen?
Am Anfang habe ich viel weniger Radfahrer getroffen als jetzt. Die Begegnungen waren herzlicher, intensiver und vor allem sehr interessant. Die Radler hatten viel zu erzaehlen, heute surft man im Internet und zieht sich die Infos rein wie Red Bull.
Du hast auf deinen Reisen sicher viele Begegnungen mit interessanten Leuten gehabt. Welche waren die bedeutungsvollsten?
Menschen, die mir ueber ihr Leben, Kultur und Traditionen in den entlegensten Gebieten der Welt erzaehlen konnnten. Da, wo man zur Begruessung die Zunge rausstreckt, da wo man das Wasser zum Haendewaschen in den Mund nimmt, es im Mund aufwaermt und dann langsam ueber die Haende fliessen laesst, um sie zu waschen. Nomaden, die mir viel ueber die Wueste und die Kamele erzaehlen konnten. Da, wo Ameisen und Maden Leckerbissen sind, aber auch da, wo das Radfahren fuer Frauen ein Tabu ist. Natuerlich waren meine Begegnungen mit Bob Marley und Peter Tosh tolle Momente in meinem Leben, gelernt habe ich aber mehr von den Pygmaeen im Kongo, die mir zeigten, wie man im Dschungel ueberlebt. Die Eswes in Togo zeigten mir, wie man mit vier Palmen und einer Machete eine Huette baut, in welcher ich dann 14 Monate leben durfte. Begegnungen mit Sadhus und Moenchen in Asien, die mir viel ueber Spiritualitaet erzaehlen konnten. Das Angenehme bei diesen Begegnungen war immer die Tatsache, dass ich dies selbst ausprobieren konnte, mit einem positiven oder negativen Resultat. Diese Begegnungen haben heute noch Bedeutung fuer mich.
Gab es auch unangenehme Begegnungen?
Jede Menge, doch moechte ich diese nich an die grosse Glocke haengen, denn ich moechte den Menschen die Angst nehmen und Mut machen, sich selbst auf die lange Meile zu begeben. Meine negativen Erfahrungen waren ueber einen Zeitraum von 32 Jahren gesehen minimal. Natuerlich waren fuenft Situationen lebensbedrohlich, doch es verlief ja alles schnell, geplant – trotzdem ging alles daneben, denn ich lebe ja noch.
Gab es auf deinen Reisen Momente, in denen du wirklich Angst hattest?
Angst ist ein Zustand, den man nie verlieren darf, sonst wird man uebermuetig. Ein bisschen Angst darf, soll und muss immer in den Panniers mitfahren. Dann gibt es auch wunderbare Situationen, bei welchen es kribbelt; man spuert die Hitze in den Adern und das Kribbeln im Koerper. Adrenalin hoch drei.
Wurde dir unterwegs etwas gestohlen?
Ich gehe immer davon aus, dass 95% der Menschen auf der Welt ganz tolle Mitbuerger sind. Gestohlen wird meistens dann, wenn man unachtsam durchs Leben zieht, das habe ich auch schon erlebt. Ich habe aber gelernt, achtsam zu sein.
Wie kann man sich schuetzen?
Nach dem Motto “Abruesten statt Aufruesten”, bestimmte Regeln einhalten und ein guter Beobachter werden. Vor allem ist es wichtig, nicht wie ein Tourist aufzutreten, man wird ja sowieso als Tourist behandelt. Ich bin nie unterwegs gewesen, um andere zu belehren, sondern eher um von anderen Menschen zu lernen. Dies ist fuer viele Weisshaeuter ganz schwierig zu akzeptieren, denn wir haben uns immer in die Angelegenheiten anderer Voelker eingemischt und versucht, ihr Leben zu unseren Gunsten zu veraendern. Dies ist ein Teufelskreis. Wir sollten endlich lernen zu akzeptieren, dass es auch andere Religionen, Kulturen und Traditionen gibt und die Menschen daran festhalten duerfen. Unsere Regierungen sollten nicht immer versuchen, nach der Karotte-und-Peitsche-Methode vorzugehen. Verstaendnis zeigen und mit Menschen Zeit zu verbringen ist immer eine gute Methode, von den “Einheimischen” beschuetzt zu werden. Sprachkenntnisse zu besitzen und auf Menschen mit Offenheit zuzugehen ist der beste Schutz. Interesse zeigen, denn jeder Mensch hat eine faszinierende Lebensgeschichte. Leider rasen zu viele Radler an den tollsten Menschen vorbei, ohne Ihnen auch nur einen Blick zu schenken.
Wo hast du immer groesstenteils uebernachtet?
Im Zelt, Billigabsteigen, in den Wuestengebieten, im Dschungel, bei Menschen, die mich eingeladen haben. Die besten Uebernachtungen sind da, wo ein Schild steht mit den Worden “Zelten oder Camping verboten”, da schaut niemand nach, denn man geht davon aus, dass jeder lesen kann!
Was geht in einem vor, wen man tagelang durch Einoeden radelt, gegen Wind und Regen kaempft? Da gibt es doch auch Totpunkte, oder?
Natuerlich gibt es Situationen, in welchen ich mich frage, warum ich mir diese Situation zumute, doch ist das Beduerfnis nach Abenteuer groesser als der Wunsch umzukehren, aufzuladen, die Sache abzuschreiben. Dann gibt es noch etwas, was ich mir in den vielen Jahren angeeignet habe: Eine nicht in den Griff zu bekommende Neugierde auf alles noch nicht Erlebte und einen Optimismus in Elefantengroesse. In derartigen Situationen rede ich mir selbst zu, dass ich schon viel haertere Situationen gemeistert habe, mache mir selbst Mut, freue mich auf einen tolle Mahlzeit, die ich mir am Abend zubereiten oder im Restaurant essen werde. Ich habe ein riesiges Plus in meinen Panniers, und dieses Plus heisst “Du musste es ja nicht machen”. Ich will es ja machen! Zudem habe ich immer ein Zelt dabei und kann mir eine Auszeit vom Wind und vom Regen goennen.
Wie ist die taegliche Menschen-Dauer-Konfrontation in bevoelkerungsreichen Laendern wie z.B. Indien oder Indonesien auszuhalten? Da hat man ja kaum eine Rueckzugsmoeglichkeit.
Dies habe ich in den ersten Jahren als ein grosses Problem gesehen, in der Zwischenzeit habe ich gelernt, die Menschenmengen zu meinem Vorteil zu nutzen, Uebernachtungen zu fordern, eingeladen zu werden, das Fahrrad zu vermieten und Geld zu verdienen. Auch mit den Leuten ehrlich zu sein und ihnen zu erklaeren, dass man seinen Freiraum braucht. Auch habe ich gelernt, “Ja” und “Nein” zu sagen zu koennen und interessante Gespreache anzuregen, um nicht der Affe zu sein, der bewundert oder bemitleidet werden muss. Ich finden diese Situationen keine Bedrohung, sondern eher eine Bereicherung meiner Reise. Natuerlich darf man keine Beruehrungsaengste haben, denn Freiraeume wie wir sie kennen sind in Indien oder China kein Thema.
Wie beurteilst du die Chance, heute noch auf einer Welt-Radtour seinen Etat durch Arbeit unterwegs zu verbessern?
Miserabel, weil die meisten Radtouristen in diesem Bereich ideenlos geworden sind. Sie sparen ihr Geld und verpulvern es dann waehrend der Tour, oder noch schlimmer, sie versuchen die Reise durch Sponsoren zu finanzieren, wissen aber selbst noch gar nicht, was auf sie da draussen zukommt. Die Welt und die Menschen haben sich veraendert, viele Menschen kommen ja schon zuhause mit ihrem ganzen alltaeglichen Komfort mit den teaglichen Anforderungen des Lebens nur halbwegs zurecht. Die Menschheit in unseren Breitengraden ist mit dem Leben ueberfordert. Wie koennen diese Menschen dann draussen zurechtkommen? Man sollte sich zuerst immer fragen, welchen Beitrag man selbst leisten kann und ob man damit auch Geld verdienen kann.
Es gibt fuenf Moeglichkeiten bzw. Berufssparten, wo man auch heute noch unterwegs Geld verdienen kann, ohne grosse Risiken auf sich nehmen zu muessen:
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Schutz: Dazu zaehle ich die Bekleidungsindustrie un das Bauwesen, Brauchen wir alle zum Ueberleben.
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Gesundheit: Jeder Mensch will gesund sein. Aerzte, Krankenpfleger, Therapeuten.
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Ernaehrung: Brauchen wir auch alle zum Ueberleben. Koeche, Baecker, Hotelindustrie, Touristik.
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Technik: Ohne Technik geht heute ueberhaupt nichts mehr. Mechaniker, Techniker, IT-Industrie
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Ideenreichtum: Selbststaendig Situationen erkennen, um Geld zu verdienen. Ist schwierig, aber machbar.
Viele traeumen davon, ihre Reise auch finanziell zu vermarkten, durch Vortraege, Artikel in Zeitschriften oder das Verfassen eines Buchs. Was wuerdest du dazu raten?
Jemandem dazu etwas raten kann ich ueberhaupt nicht, da ich ja die Menschen und ihre Gedanken nicht kenne. Probieren ist ein gutes Mittel dafuer! Es braucht ein Genie um zu sagen, jetzt fahr ich los und verdiene mein Geld unterwegs, diese Zeiten hat es aber gegeben. Was ich dazu raten kann ist Folgendes:
Im Leben eines Tourenfahrers gibt es viele Moeglichkeiten, Geld zu verdienen, doch muessen die Ansaetze stimmen. Ich finde es gut, wenn Menschen, die eine Radtour unternehmen wollen, zuerst losfahren, um sich selbst kennenzulernen, eine tolle Zeit mit dem Rad und der Freiheit zu erleben. Das Beduerfnis, Geld mit der Reise zu verdienen, muss natuerlich wachsen. Ist dies nicht der Fall, geht der Traum vom Geld Verdienen und wahrscheinlich auch die Reise in die Hose. Es gibt nur wenige Leute, die gut reisen, radfahren, schreiben, fotografieren und sprechen koennen. Einiges kann man sich aneignen. Anderes wiederum kan man vermitteln, weil man ueberzeugt ist.
Was ich persoenlich ueberhaupt nicht vertragen kann ist, wenn Menschen zuerst Sponsoren suchen und dann losfahren. Dies ist ein falscher Ansatz, zuerst soll losgefahren werden und dann kann man versuchen, mit dem Erlebten Geld zu verdienen. Alles andere ist Humbug.
Traeumer wird es immer geben, und das ist auch gut so. Ich hoffe nur, dass sie nicht zu hart auf dem Boden aufkommen, denn dies hinterlaesst dann meistens einen bitteren Geschmack fuer das Radfahren.
Irgendwie hat man oft den Eindruck, zu Zeiten eines Heinz Helfgen oder auch in deinen ersten Reisejahren waere eine Global-Radtour einfacher zu realisieren gewesen als heute.
Stimmt, kann ich nur bestaetigen, doch waren damals die Menschen/Abenteurer aus einem anderen Holz geschnitzt. Sie suchten das Abenteuer und nicht die Sensation. Es ist ja schon alles dagewesen und es wird eng, also suchen heute viele Leute das Abenteuer im Namen der Sensation. Man hat nur ein tolles Abenteurer erlebt, wenn man im Sarg zurueckkommt. Muss ich meine Freiheit im Irak oder in Afghanistan dem Abschuss opfern? Ist es nicht gut genug, unterwegs zu sein, um sich selbst und andere Kulturen und Traditionen zu treffen?
Muesste man nicht aufgrund der vielen Konflikte und Spannungen auf der Welt von einer solchen Tour eigentlich abraten?
Ueberhaupt nicht. Dass man heute anderen Gefahren ausgesetzt ist wie vor 50 Jahren ist richtig, doch sollte man mit der Zeit gehen und mit Koepfchen reisen. Sich bewusst sein, was auf einen zukommen koennte, wissen, welche Gebiete zu vermeiden sind und das Abenteuer nicht suchen, sondern auf sich zukommen lassen. Wenn das Fernweh groesser ist als das Heimweh muss man auch damit rechnen, dass man eventuell nicht mehr nach Hause kommt, wie die 5000 Strassenopfer, die es jedes Jahr in Deutschland gibt. Sie sind auf dem zur oder von der Arbeit vom Tod ueberrumpelt worden. Keine Sensation, schlicht und einfach der taegliche Ueberlebenskampf.
Wie schon eingangs erwaehnt, viele traeumen von der Weltradtour, aber manchmal fehlt einfach der letzte Kick.
Der letzte Kick kommt nicht von Bildern und Geschichten anderer, sondern der letzte Kick sollte immer heissen “Just do it!”
Letzte Frage: Was wuerdest du deinen potentiellen “Nachradlern” in kurzen Worten empfehlen?
Ich wuerde es niemandem empfehlen, 32 Jahre mit dem Rad unterwegs zu sein. Ich kann aber sagen, dass ich 32 Jahre mit, fuer und vom Radfahren gelernt, gelebt und diese Welt geliebt habe.
Tilmanns Radreisen – hier eine Aufstellung. Zu jeder gibt es eine Beschreibung, Fakten und Fotos auf www.tilmann.com.
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Von der Antarktis bis in die Arktis. 1977 – 1981, 55.000 km.
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Vom Nordkap bis zu den Medizinmaennern in Afrika. 1982 – 1985, 28.000 km.
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Die Zentralgebirge-Tour. Sommer 1986, 4000 km.
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Die Nilreise. 1987 – 1988, 6000 km.
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Die Aequa-Tour. 1989 – 1992, 35.000 km.
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Quer durch Australien. Drei Monate 1994, 6000 km.
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Rund um die 14 Achttausender der Erde. Vier Monate 1995, 4500 km.
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Bike Camel Bike. Sieben Monate 1997 – 1998, 7400 km.
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Die Alaska-Patagonien-Tour. 2001 – 2003, 30.000 km von Alaska bis Feuerland.
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Deutschland – Tuerkei. 2004, 5300 km bis nach Istanbul.
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Cape to Cape Tour. 2006 – 2007, 8000 km durch Australien.
Mehr von Tilmann Waldthaler – quasi seine Biographie – im Buch “Sieh diese Erde leuchten!”, BVA 2008 (Hardcover) und National Geographic/Frederking & Thaler 2009 (Taschenbuch).
Auszug aus einer Beschreibung: “Tilmann Waldthaler erzaehlt hier seine Geschichte erstmals mit allen Hintergruenden und Zusammenhaengen, mit all ihren komischen und dramatischen Momenten: Wie er mit der Prinzessin von Tonga ihren 21. Geburtstag feierte – von der Vier-Meter-Python in der Cessna – wie er erst och wurde, dann Vegetarier und schliesslich Journalist und Fahrrad-Tester – wie er den hoechsten Pass der Welt bezwang – wie er bei seinem indischen Lehrer auf Sri Lanka die Welt verstehen lernte – von seiner Verhaftung als “Kaffee-Spion” – und vielem mehr! Mehr als ein Radbuch, mehr als ein Roadbook – eine wunderbare Liebeserklaerung an die ganze Welt!”
Von Mai 2010 bis Mai 2012 ist Tilmann wieder unterwegs – Infos ueber seine Tour von Norwegen nach Neuseeland auf www.tilmann.com. Ueber Tilmanns Homepage kann man auch noch die allerletzten Restexemplare des Buchs “Die Aequa-Tour” beziehen.
Tilmanns Tipps und Empfehlungen damit die eigene Tour gelingt:
So geht es los: Jede Reise beginnt im Kopf. Damit die Reiseidee gedeihen kann, muss sie wie eine kleine Pflanze gepflegt und mit neuen Impulsen und Ideen bestaeubt werden. Waehrend diesem Prozess ist die Pflanze und auch die Idee im Kopf sehr anfaellig und muss von aeusseren negativen Einwirkungen geschuetzt werden. Ist dies nicht der Fall, besteht grosse Gefahr, dass das Pflaenzchen und auch die Idee im Keim ersticken.
Verwandte, Freunde und Bekannte meinen es wahrscheinlich gut wenn sie versuchen, mit Horrorgeschichten, die sie gehoert oder gelesen haben, Menschen vom grossen Traum der Radtour abzuhalten. Gelingt es einem trotzdem, an der Vorbereitung fuer die Tour festzuhalten, hat man die erste Huerde geschafft.
So geht es weiter: Jetzt wird das Finanzielle, die Ausruestung und die Reiseroute vorbereitet. Wie sieht es mit dem Geld aus, um die Reise zu finanzieren? Welche Moeglichkeiten habe ich, die Reisekasse unterwegs aufzufuellen? Soll ich mein Bankkonto waehrend der Reise leeren? Eine Kreditkarte bringt Vorteile, ist aber nicht unbedingt erforderlich. Die ersten 20 Jahre meiner Reisen war ich nur mit Reiseschecks unterwegs. Eine Kranken- und Reiseversicherung ist sehr empfehlenswert, ausserdem sollte man sich ueber die politische Situation in den zu bereisenden Laendern gut informieren. Das Internet spielt fuer diesen Bereich eine immer wichtigere Rolle, da die Informationen oft und rasch upgedatet werden koennen. Ein- und Ausreisegenehmigungen, Impfungen und eine gute Reiseapotheke sind wichtige Faktoren, die bedacht werden muessen. Wie werde ich mich waehrend der Reise ernaehren, die Nahrungsmittel transportieren oder die teurere Variante der Restaurants benuetzen? Wie werde ich uebernachten? Fuer kuerzere Reisen kann man die Billighotel-Variante empfehlen, fuer laengere Reisen ist das Zelt die bessere und vor allem die billigere Loesung.
Sich zu informieren ist gut, aber bitte nur fuer die jeweilige Reise. Zu viele Infos fuehren meistens zu Konfusion. Empfehlenswerd ist es, eine Ausruestungsliste zu erstellen. Mit einem 26er MTB/Reiserad hat man die besseren Chancen, abseits der Strasse zu fahren. Man sollte immer auf Qualitaet setzen. Natuerlich gibt es noch jede Menge Aspekte, doch finde ich, dass man sehr viele Fragen selbst beantworten kann, soll und muss, denn niemand kenn sein eigenes Vorhaben besser als man selbst.
Waehrend der Vorbereitungsphase wird sicherlich auch die Frage auftreten, ob man die Reise solo oder mit einem Freund/einer Freundin antreten soll. Dies ist eine sehr individuelle Frage und kann nur von den betroffenen Personen beantwortet werden. Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass man als Solofahrer sehr leicht Kontakte knuepfen kann. Wenn die Chemie zwischen den beteiligten Radlern nicht stimmt, ist Chaos angesagt.
Noch etwas zum Thema Transport. Das Fahrrad ist Sport- und Trasportgeraet, also liegt es nahe, das Fahrrad mit dem Gepaeck zu beladen und nicht den Koerper. Wenig ist sehr oft mehr, und fuer die Radtour abruesten ist besser als aufruesten.
So geht nichts mehr: Hat man sich nun vorbereitet und die meisten Dinge fuer die Tour beachtet, bleibt immer noch eine bestimmte Ungewissheit, und dies ist gut so. Keine Tour kann 100%ig voraugeplant werden. Man will ja Abenteuer erleben, und dazu gehoert eine Portion Mut zum Aufbruch und ein bisschen Angst vor dem Unbekannten. Es ist wichtig, dass man sich gut vorbereitet hat, denn diese Vorbereitungsphase macht Mut und nimmt einem die Angst. Mentale Staerke und koerperlich Fitness sind die Bausteine fuer die bevorstehende Tour. Eine freundliche Ausstrahlung und Zeit zu haben, um zuzuhoeren und auch die Zeit zu schenken, um andere Menschen zu verstehen, sind weiter Bausteine fuer eine erfolgreiche Tour. Alles andere ist machbar, wenn nicht, dann hat man seine Moeglichkeiten ausgeschoepft und es geht im wahrsten Sinn des Wortes nichts mehr.
Ich wuensche euch ein tolles Abenteurer mit dem Fahrrad.
Tilmann Waldthaler